Die deutsch-englische Freundschaft endet im Kinosaal
- von Christopher Büchele
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- 06 März, 2019
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„Trautmann“ und das deutsche Synchronwesen

„Und was, wenn I koa Englisch net ko?“
„Dann lesen Sie doch die Untertitel!“
„Na siag I jo nix mehr vom Fuim!“
Und dann wird sich zwei Stunden lang unterhalten - verstehen tut man von den Dialogen ja ohnehin nix - und statt auf die Untertitel ins Handy geschaut, zum Teil sogar gesprochen. Nun ließe sich das als Ignoranz des Kinozuschauers vor dem Elfmeter fehlinterpretieren - des Deutschen Problem mit Originalfassungen ist ja kein neues - würde nicht das Sujet des Filmes gerade dieser Ignoranz gegenüber so diametral entgegenstehen. Denn die Erwartungshalten des Deutschen hört ja nicht im Kino damit auf, dass der Chinese Deutsch, der Italiener Deutsch und gefälligst auch der Engländer Deutsch zu sprechen hat - sie fängt hier erst an. Und setzt sich im Urlaub fort, wo jeder Straßenhändler in Istanbul, am Gardaseee und in Spanien gefälligst ein paar Brocken Deutsch zu sprechen hat, damit man ihm - immer lauter werdend, falls er einen nicht versteht - die zunehmend geringer werdenden Eurobeträge um die Ohren hauen kann. Entweder das, oder man macht gleich Urlaub in der Synchronfassung der deutschen Ferienleidenschaft: In der deutsch-nationalen Reisegruppe mit deutscher Führung, deutschem Essen und deutscher Pünktlichkeit. Oder in deutschen Enklaven, in denen sogar die Supermärkte heimischen Gewohnheiten angepasst worden sind. Demgegenüber denkt man gerne erstens an den Mut Rosenmüllers zurück, seine Form des modernen Heimatfilms in englischer Sprache auf die Insel zu übertragen und zweitens an seine Hauptfigur, die sich nicht nur der Sprachbarriere, sondern der Wut und dem Hass einer ganzen Nation gegenübersah. Und die trotzdem einer der ihren wurde. Fußball und Integration quasi, ein Thema, mit dem die Deutschen auch an anderer Stelle nicht so besonders gut klarzukommen scheinen. Es bleibt zu wünschen, dass die Generation Netflix diesem Spuk ein Ende bereitet. Wenn nicht die Generation Brexit dem Ganzen schon sehr viel früher einen Riegel vorschiebt.

Nicht weniger als die Zukunft des Kinos werde verhandelt, wenn es um die Auseinandersetzung der großen Filmfestivals – und hier insbesondere des Cannes Film Festivals – und Streamingriesen wie Netflix geht. So sieht es zumindest die Financial Times. Weshalb insbesondere das traditionsreiche Festival an der französischen Riviera wie ein bockiges Kind an einer No-Netflix-Politik für seinen Wettbewerb festhält. Die ja auch umgekehrt (von seltenen Ausnahmen abgesehen) zutreffende No-Cinema-Politik des Streamingriesen wird hier gerne als Hauptgrund angeführt, ein Einwand, den jeder verstehen kann, der Alfonso Cuarons „Roma“ lediglich auf dem heimischen Bildschirm zu Gesicht bekommen hat. Dass solche Maßnahmen trotzdem reine Augenwischerei sind, davon zeugt die Tatsache, dass insbesondere Netflix und Amazon als große Player längst nicht mehr von den internationalen Filmmärkten wegzudenken sind. Und die sind am Ende des Tages deren raison d’être, das finanzielle Grundrauschen, ohne welches das glamouröse Drumherum gar nicht denkbar wäre.

Hexen haben wieder Hochkonjunktur auf den schnell abbrennenden Scheiterhaufen der Popkultur. Letztlich sind sie ja nichts anderes als die weiblichen Gegenstücke zu romantisch verklärten Zauberjünglingen der Marke „Harry Potter“. Nur eben etwas furchterregender – zumindest für das männliche Geschlecht. Weil von ihnen eine Macht ausgeht, die wie eine Verstärkung all dessen wirkt, was Frauen ohnehin an Wirkung auf ihre nur vermeintlich stärkeren Gegenüber haben. Oder haben Sie eine Erklärung dafür, dass an einem Remake von „Charmed“ gebastelt und auch „Sabrina – The Teenage Witch“ wieder aus den verstaubten Aktenschränken der Seriengeschichte geholt wurde, während die „American Horror Story“ gleich eine ganze Staffel dem „Coven“ widmete? Dafür, dass einer der furchterregendsten Horrorfilme der letzten Jahre – „The Witch“ von Robert Eggers – den Blairwitch-Mythos wie ein Kindermärchen wirken ließ oder „Hereditary“ mit derlei Motiven spielte, diesen Sommer fortgesetzt in „Midsommar“, das heidnische Rituale zum Inhalt zu haben scheint? Von Luca Guadagninos Argento-Remake „Suspiria“ und einer imposanten Tilda Swinton in gleich mehreren Rollen (sogar - welch ein Übergriff - als Mann!) ganz zu schweigen?
Kommt es von Ungefähr, dass die Popkultur den fröhlichen Hexensabbat feiert? Oder ist er als Reaktion auf verschwörerische weibliche Umtriebe zu sehen, die nicht weniger als die Umkehrung der Verhältnisse im Kulturbetrieb – kurz: Gleichberechtigung – zum Inhalt haben? Während im Kontext einer unbedingt führenswerten #metoo-Debatte also den Männern zu Recht der Kopf ver- und manchmal sogar der Hals umgedreht wird, reagiert der Film- und Serienbetrieb, in dem sich derlei abspielt, mit der Reaktivierung des Weiblichen in der Zauberei und Fantasterei. Wobei der ganze Vorgang, so schlau sind die Herren der kulturellen Wertschöpfung dann auch nicht, wohl eher unbewusst abläuft. Oder von Frauen umarmt wird, die im Bild der Hexe weibliche Stärke und Traditionen erkennen, mit denen die Männerwelt gemeinhin nur wenig anfangen kann.
